Samstag, den 24. Februar 2007
13. Tag
Das Hotel bietet für 9.99 Dollar ein Frühstücksbuffet und wir können nicht wiederstehen. Alles was dick macht und ungesund ist, gibt es hier in Mengen: Frühstücksspeck, Rührei, Kartoffeln, Würstchen, Pancakes, jede Menge Kuchen und Muffins etc. Und wir schlagen zu! Der Kaffee ist so dünn, dass wir freiwillig entcoffeinierten trinken, weil der eine Spur schwärzer zu sein scheint. Nachdem dem 15. Gang ans Buffett können auch wir nicht mehr.
Der Vormittag steht im Zeichen der Suche nach einem Objektiv. Ich finde einen Canon-Händler etwas abseits des Stripps, der genau die Linse hat, die mir in Havanna kaputt gemacht wurde. Gegenüber entdecken wir das Liberace-Museum. Dieser Vorgänger von Richard Claydermann zog in den 50er, 60er und 70er Jahren die Massen nach Las Vegas. Er fuhr gerne im goldenen Rolls Royce auf die Bühne, trug bodenlange weisse Hermelinmäntel und juwelenbesetze Ringe in Form von Klavieren. 12,50 Dollar Eintritt erscheint uns dann doch etwas viel Geld für aneinandergenähte tote Tiere und alte Autos haben wir in Havanna auch genug gesehen.
Da Las Vegas ein akutes Taxiproblem hat, nehmen wir den Bus zurück zum Strip. Gott sein Dank, haben wir passendes Geld, sonst hätten wir zu Fuss gehen dürfen. Der Fotograf David LaChapelle hat einmal zu Kritikern seiner bunten Phantasiebilder gesagt: wer Realität will, soll Bus fahren. Ich weiss jetzt, was er meint.
Las Vegas hat über eine Million Einwohner, die von 39 Millionen Freunden jährlich besucht werden. Von diesen 39 Millionen halten sich wahrscheinlich 38 Millionen hauptsächlich auf dem Las Vegas Boulevard auf, dessen Kernstück mit den grossen Casinos "Strip" genannt wird.
Es ist ein sonniger Frühlingsmorgen und die Bürgersteige sind voll mit Menschen, die überraschenderweise schon zu dieser Uhrzeit mit Alkohol in der Hand durch die Stadt laufen. Der Hit sind riesige durchsichtige Plastiktrinkgefässe, gerne auch in Form einer Gitarre (Hard Rock Cafe) oder eines Eiffelturms (Paris Las Vegas), gefüllt mit Frozen Margharitas oder anderen Mixgetränken.
Wenn man über den Strip läuft, weiss man gar nicht, wohin man zuerst gucken soll. Die meisten Casinobauten stammen aus den 90er Jahren und irgendwann damals hat der Trend angefangen, dass auch das Aussen eines Casinos wichtig ist. Während das MGM Grand noch eher an ein Bürogebäude erinnert, hat man beim Paris Las Vegas kongenial die Atmosphäre von Paris eingefangen, in dem man typische Pariser Bauten kopierte - einschliesslich eines halb so hohen Eiffelturms. Da das Konzept aufzugehen scheint, hat man es dann mit dem Bellagio (Norditalien - Comer See?) und dem Venetian (Venedig) gleich noch zweimal wiederholt. So kann man sich Europa in einem Tag angucken und braucht noch nicht einmal das Land zu verlassen. Hinter der Fassade ähneln sich dann doch alle Casino wieder: Spielsäale und Einkaufspassagen.
Neben diesen Top-Casinos (und Hotels) gibt es dann wieder welche, die sich gerade im Umbruch befinden. Das Mirrage zum Beispiel war jahrzehntelang die Heimat von Siegfried und Roy und musste sich nach dem schweren Bühnenunfall neu erfinden. Nun wird im umgebauten Theater vom Cirque du Soleil das Beatles-Musical "Love" gegeben. Im Zuge der Renovierungsarbeiten wurde auch ein Grossteil der Bars und Restaurant neu gestylt und zwar so trendy, als ob man in New York wäre. Überhaupt ist Luxus der neue Trend. Das erst kürzlich fertiggestellte Wynn ist ein schicker Wolkenkratzer (ohne Thema), in dessen Erdgeschoss man sich seinen neuen Ferrari oder Maserati bestellen kann. (In der Zeitung lesen wir, dass die nächste Runderneuerung des Stripps ansteht. Zwischen Belaggio und Monte Carlo wird für 7 Milliarden Dollar das City Center-Projekt gebaut - mehrere Hochhäuser von Stararchitekten entworfen - das die Stadt dann auch für Architektur-Liebhaber interessant machen soll. 2009 ist Einweihung.)
Sonntag, den 25. Februar 2007
14. Tag
Der Kopf schwirrt von all den Eindrücken. Wir beschliessen, unsere Tage hier auch unter ein bestimmtes Thema zu stellen. Gestern war der Tag des Objektivkaufes, heute ist der Tag des Zeitungskaufes. Und das erweist sich schwieriges als gedacht. Im Hotel gibt es keine, auch in den anderen Hotels gibt es zwar jede Menge Boutiquen und Souvenirläden, aber nichts zu lesen. Einen halben Tag später werden wir endlich in der schicken Fashion Mall fündig. Leider gibt es die New York Times nicht mehr, die am Sonntag immer so dick wie ein Ottokatalog ist, dafür das örtliche Las Vegas Review-Journal. Dort lesen wir, das am vorigen Wochenende drei gleichzeitig stattfindende Grossveranstaltungen die Stadt völlig paralysiert hätten. Die Stadt war so verstopft, dass Taxifahrer für die Fahrt zum nur wenige Meilen entfernten Flughafen über zwei Stunden gebraucht haben.
Dann entdecken wir eine bizarre Kontroverse über ein Kinderbuch, wie sie es wahrscheinlich nur in den USA geben kann. Eine Autorin schrieb in einem Vorlesebuch für Vierjährige, das eine Schlange einem Hund in die Hoden beisst. Die Verwendung des Begriffs "Scrotum" in einem Kinderbuch empörte irgendwen so sehr, dass er sich an die Medien wandte, die die Geschichte aufgriffen und nun diskutieren, ob einem Kind oder seinen Eltern so ein Wort zu zumuten sei. Schöner Nebeneffekt der Debatte: das Kinderbuch ist ein Bestseller, obwohl ein Grossteil der amerikanischen Buchhandlungen es sofort nach Beginn der Kontroverse aus den Regalen genommen haben und es nur über Amazon erhältlich ist.
Heute ist Oscar-Tag und so ziehen wir uns um 17.30 Uhr ins Hotelzimmer zurück, um am Bildschirm die Übertragung zu verfolgen.
Montag, den 26. Febraur 2007
15. Tag
In den USA ist alles BIG. Die Autos, die Ess-Portionen, die Menschen und die Preise. Nur die Löhne sind niedrig. Deshalb sind Trinkgelder (Tips) wichtig und - eine Wissenschaft für sich. Die Stadt hat mehrere kostenlose Magazine, die alle Shows und Casinos aufführen, und jedes Magazin widmet sich auf einer Seite der Kunst des Tippens. Kellner bekommen 15 bis 20 Prozent oder ein bis zwei Dollar pro Person am Tisch, Zimmermädchen ein bis zwei Dollar pro Nacht, Croupiers (bei Gewinnen) 10 bis 15 Prozent deines Einsatzes innerhalb einer Stunde. Wer hier Trinkgeld gibt, muss nicht nur die verschiedenen Sätze im Kopf haben, sondern auch noch gut im Kopfrechnen sein. Nichts ist schlimmer, als der mitleidige Blick eines Dienstleisters, wenn du ihm zu wenig Tip gibst.
Jetzt rennen wir schon den dritten Tag auf dem Strip hin und her und haben immer noch nicht alles gesehen. Die Casinos ersparen wir uns langsam, da sie innen sowieso mehr oder weniger gleich aussehen und von Edelboutiquen haben wir nun auch für die nächsten Jahre genug. Wenn man sich aber von den grossen Casinos entfernt, taucht man in eine andere Welt ein. Billige Motels, Hochzeits-Kapellen und Läden mit Ramsch-Souveniers und Menschen, die aussehen, als ob sie hier leben und arbeiten und nicht nur für ein paar Tage hier sind.
Apropos ein paar Tage hier sein. Wir hatten eigentlich gedacht, dass die Stadt nach dem Wochenende etwas leerer wird. Weit gefehlt, im Imperial Palace ist die Reception jeden Tag dicht belagert und die Schlangen vor dem Frühstückraum nehmen eher zu als ab.
Abends dann ein weiterer Höhepunkt des Las Vegas-Aufenthaltes: die "Love"-Beatles-Show vom Cirque du Soleil. Wir haben Glück überhaupt Karten zu bekommen, denn die Vorstellungen sind immer restlos ausverkauft. Die Preisrange reicht von 99 bis 150 Dollar. Auf unsere 120-Dollar-Karten kommen noch Tax und Gebühren von 17 Dollar. Aber die Show ist jeden Cent wert. Zu remasterten Beatles-Songs zeigen 70 Artisten atemberaubene Akrobatik und wunderschöne Tableaus. Als 71. Artist darf die Bühnentechnik gelten. Dauernd öffnet sich der Bühnenboden, werden Requisiten hoch- und runtergefahren, tauchen Menschen vom Bühnenhimmel auf. Man kann unmöglichlich alle Einfälle der Regie bei einem einmaligen Besuch mitkriegen.