09 April 2007

Von Merida nach Mexiko Stadt

Freitag, den 6. April 2007
54. Tag

Unser letzter innermexikanischer Reisetag. Ungewohnterweise geht es nicht zum Busbahnhof, sondern zum Flugplatz. Wir haben uns für den 90minütigen Flug von Merida nach Mexiko Stadt entschieden und gegen die 19stündige Busfahrt. Und der Flug kostet genauso viel wie die Buskarte!

Mexiko Stadt (Mexikaner nennen ihre Hauptstadt einfach Mexiko, während das Land meistens "La Patria" oder "La Republica" genannt wird) empfängt uns mit moderaten 24 Grad und einer fast unheimlichen Leere. Die Strassen sind frei, auf den Bürgersteigen kaum fliegende Händler. Ostern ist für diejenigen, die es sich leisten können, eine der Hauptreisezeiten. Wer nicht Verwandte besucht, fährt an die Küste. Aus der Zeitung erfahren wir, das Acapulco so überlaufen ist, dass die Leute in den Parks übernachten. Der spärliche Autoverkehr macht sich nicht nur in der Fahrtzeit zu unserem Hotel positiv bemerkbar, sondern auch in der viel besseren Luft. Es gibt so gut wie keinen Smog.

Ein Nachteil der Osterferien ist, dass auch das gesamte kulturelle Leben für zwei Wochen aussetzt. Keine Ballettaufführung, kein Streichkonzert und kein Theater - alles fängt erst wieder nach unserem Rückflug an. Also wird es nichts mit unserem Plan, eine Aufführung im Palacio de las Bellas Artes zu sehen, einem 1901 begonnenen und 1934 fertiggestelltem Art-Deco-Prachtbau. Der Theatersaal soll eine Wucht sein und der Bühnenvorhang ist aus Tiffany-Glas.

Wir nutzen die Zeit bis zum Sonnenuntergang, um durch das historische Zentrum von Mexiko Stadt zu schlendern, beim Chinesen für 53 Pesos pro Person (3,80 Euro) das All-You-Can-Eat-Büffet zu plündern und uns in einem Platten- und DVD-Laden über das Angebot an Tonträgern und Filmen zu informieren.


Samstag, den 7. April 2007
55. Tag

Unser Frida Kahlo- und Diego Rivera-Tag. Wir beginnen ihn mit dem Besuch des Museums Mural Diego Rivera am Park Alameda. Das Museum zeigt nur ein einziges Werk von Rivera, aber was für eins! Das Mural (Wandbild) "Traum vom Sonntagnachmittag im Alameda-Park" ist fast 16 Meter lang und fast 5 Meter hoch. Gemalt hat er es 1947 für das Restaurant des Hotel del Prado. Beim Erdbeben 1985 in Mexiko-Stadt wurde das Hotel so stark beschädigt, dass es abgerissen werden musste. Man beschloss, für das unversehrte Gemälde ein eigenes Museum zu schaffen. Das Bild zeigt alle wichtigen Figuren aus der mexikanischen Geschichte von der Ankunft Cortes bis zur Revolution 1910. Diego Rivera hat sich darauf auch festgehalten, als neunjährigen Jungen, dem eine erwachsene Frida Kahlo die Hand auf die Schulter legt.

Dann geht es mit der U-Bahn (Fahrpreis: 2 Pesos/14 Cent) in den Stadtteil Coyoacan. Vor noch nicht allzu langer Zeit war das eine eigenständige Stadt mit langer kolonialer Vergangenheit. Cortes hat hier unteranderem gewohnt und der letzte Azteken-Herrscher Cuauhtemocs wurde hier ermordert. Aber die wuchernde Hauptstadt verschlingt alles im Tal von Mexiko.

Weil es auf dem Weg liegt, fangen wir beim Museum Leo Trotzki an. Der russische Revolutionär, Weggefährte Lenins und Gegenspieler von Stalin, wurde in diesem Haus 1940 mit einem Eispickel (wahrscheinlich auf Geheiss von Stalin) ermordet. (Fast seine gesamte Familie einschliesslich seiner Söhne und seiner Schwiegertöchter waren zu der Zeit schon in Stalins Gulags ums Leben gekommen.) Trotzki war eng mit Rivera und Kahlo befreundet und er hat auch eine zeitlang in Frida Kahlos Haus gewohnt. Das Museum zeigt die privaten Räume mit den vielen Büchern, die Schreibmaschine, die einfache Küche und das primitive Bad. Im Garten des Hauses liegen Trotzki und seine Lebensgefährtin begraben.

Ein paar Strassen weiter steht das berühmte Blaue Haus von Frida Kahlo. Hier lebten ihre Eltern, hier lebte sie immer wieder im ihrem Mann Diego Rivera und hier verbrachte sie ihre letzten Jahre zwischen Staffelei, Rollstuhl und Bett. Das Museum zeigt nicht nur Bilder der beiden Maler und Werke anderer Künstler, die sie besassen, sondern dokumentiert auch ihr Alltagsleben und den künstlerischen Schaffensprozess. Auf Kahlos Staffelei steht noch ein unvollendetes Stalin-Portrait, so, als ob sie gleich zurückkommt und weiter daran arbeitet. (Überraschenderweise - für mich - taucht Stalin in mehreren Frida Kahlo-Bildern auf, obwohl er doch die Ermordung ihres Freundes Trotzki zu verantworten hat.) Frida Kahlo ist so populär, dass sich vor dem Museum eine Schlange gebildet hatte und auch der Einlass in die einzelnen Räumen nur mit Wartezeiten möglich war. (Darüberhinaus lebt eine ganze Souvenirindustrie von ihr und Rivera. Es gibt nichts, worauf man nicht ein Kahlo-Selbstportrait drucken könnte und in keinem Museumsshop in ganz Mexiko fehlen Kahlo- und Rivera-Karten.)

Auf dem Rückweg zum Hotel gehen wir noch am Zocalo vorbei. Vor der Kathedrale, auf dem Platz, ist eine Bühne aufgebaut und viele tausend Christen, zu erkennen an ihren kirchlichen Spruchbändern, tanzen zu der Musik irgendeiner Band. Die Menge wird die ganze Nacht durchfeiern. Irgendwann nach 23 Uhr endet die Musik und ein Nachtgottesdienst, der bis zum Morgengrauen des Sonntags dauert, beginnt. Da Gott zu gelassen hat, dass Mikrofon, Verstärker und Lautsprecheranlage erfunden wird, können wir das Geschehen die ganze Nacht akkustisch in unserem Hotelzimmer verfolgen.


Sonntag, den 8. April 2007
56. Tag

Wir sitzen um 10 Uhr auf der Terrasse des Hotels im 7. Stock, trinken Cappuccino, essen Crossiants und schauen auf die Rückseite der Kathedrale. Da bewegt sich im Glockenturm etwas. Ein Mann in weissem T-Shirt und schwarzer Hose fängt an, die Glocke zu läuten. Mit kräftigen Armbewegungen zieht er an dem dicken Seil. Schwerstarbeit. Ein Viertelstunde lang bringt er die Glocke so zum Leben, dass Quasimodo stolz gewesen wäre. Ruft die Gläubigen zum Ostersonntagsgottesdienst und erinnert uns daran, dass wir ja auch noch was vorhaben.

Auch heute stehen zwei Museen auf unserer To-Do-Liste: Das Museo Nacional de Antropologia und das Museo de Arte Moderno, beide im Chapultepec Park, der grünen Lunge der Stadt, gelegen. Wir machen uns zur U-Bahnstation am Alameda-Park auf. Auf dem Weg dorthin kommen wir noch an einem Büchermarkt vorbei, wo auch gebrannte CDs verkauft werden. Für eine kopierte CD zahlt man einschließlich Farbcover-Kopie 25 Pesos (1,80 Euo). Man kann sich die CDs auf einer tragbaren Anlage anhören. Kopierte CDs und DVDs werden in der ganzen Stadt (und im ganzen Land) angeboten. DVDs kosten ebenfalls 25 Pesos, die Qualität des Bildes ist aber meist ziemlich mies. Dafür gibt es die Filme gleichzeitig zum Kinostart.

Das Museo Nacional de Antropologia gilt als eines der besten Museen der Welt. In seinen Räumen wird die Kultur der präkolumbianischen Völker Mexikos präsentiert. Hier finden sich viele Funde aus den Maya-Stätten, die wir in den vergangenen Wochen besichtigt haben. Das Museum ist riesig und die Fülle des Materials erschlägt einen. Gott sei Dank sind die meisten Erklärungen nur auf Spanisch vorhanden, sonst müsste man hier seinen gesamten Urlaub verbringen. Als wir endlich durch sind, ist es schon zu spät für das Kunstmuseum. Ausserdem ist unsere Aufnahmekapazität erschöpft. Wir beschliessen stattdessen die ca. 5 Kilometer bis zur Stadtmitte auf dem Paseo de la Reforma, dem schönsten Boulevard von Mexiko Stadt (der aber gar nicht so schön ist, jedenfalls von der Bebauung), zurückzulaufen.

2 Comments:

At 8:04 AM, Anonymous Anonym said...

Den Leuten, die in der Ferienzeit ebenfalls arbeiten müssen, mich zum Beispiel, fällt genauso positiv auf, wie stark sich der Verkehr in den Innenstädten Deutschlands, zum Beispiel in Moers, vermindert hat.
Könnte man sich glatt dran gewöhnen und von nun an später aufstehen.

Und Gott sei dank (?) macht man hier nicht so eine Sause zu Ostern!
Alles schön ruhig hier...

Apropos DVDs: schon 300 gesehen?

 
At 2:32 AM, Anonymous Anonym said...

So, ein Quatsch!! Natürlich geschah der Mord an Trotzki auf Geheiß von Catherine Tramell, die Beth dazu angestiftet hat. Lernst Du denn gar nicht dazu?

 

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